Warum Stimmen aus der Klasse?
Du hältst die erste Ausgabe der Broschüre „Stimmen aus der Klasse“ in der Hand. Wieso sie so heißt? Weil Wir in ihr zu Wort kommen. Wir, das sind Arbeiter und Arbeiterinnen, aber auch Schüler und Studenten. Wir sind alle Teil einer Klasse: der Arbeiterklasse. Die Berichte in dieser Broschüre geben Einblicke in ganz unterschiedliche Jobs, die jedoch alle diese Gemeinsamkeit haben: Sie sind Lohnarbeit. Und alle wissen das man von Lohnarbeit nicht reich wird. Aber warum ist das eigentlich so?
Wir sind in dieser Gesellschaft von den Dingen ausgeschlossen, die wir zum Leben brauchen. Das Essen, die Wohnung, die Kleidung, die wir brauchen, gehören nicht uns. Sie sind das Eigentum von Unternehmen. Und die Unternehmen stellen diese Dinge nicht her, weil sie gebraucht werden, sondern um sie zu verkaufen. Sie wollen damit Profit machen. Dass wir Hunger haben, interessiert den Discounter nicht. Dass wir ein Dach über dem Kopf brauchen, interessiert den Immobilieninvestor nicht. Unsere Bedürfnisse zählen nur, wenn wir dafür bezahlen können. Also müssen wir irgendwie an Geld kommen.
Und das ist nicht leicht, wenn man nicht schon reich geboren wurde. Wir können nicht „unser Geld für uns arbeiten lassen“, wir müssen selbst arbeiten gehen. Wir haben kein Eigentum, dass wir verkaufen können. Alle Dinge, die uns gehören, brauchen wir, weil wir sie benutzen. Das Einzige, was wir besitzen und verkaufen können, sind wir selbst. Unsere Arbeitskraft und unsere Lebenszeit. Wir müssen sie auch verkaufen, denn wir selbst können mit unserer Arbeitskraft gar nichts anfangen. Da wir keine Produktionsmittel besitzen, können wir nichts produzieren, ohne dass uns jemand einen Arbeitsplatz gibt. Wir sind Arbeiter.
Dazu muss uns aber erst einmal jemand haben wollen. Wir müssen einen „Arbeitgeber“ finden. Wir müssen uns also so anpassen, dass ein Unternehmen denkt, es lohnt sich, uns zu bezahlen. Sie zahlen ja nicht aus Großzügigkeit einen Lohn, sondern nur dann, wenn sie selbst damit Geld verdienen können. Und wenn man einen Job hat, geht es erst richtig los. Das Unternehmen bestimmt, wie alles läuft. Man soll die Klappe halten und das tun, was von einem verlangt wird. Wenn es nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen wird Druck gemacht. Unsere Abhängigkeit vom Lohn wird benutzt, um uns zu zwingen schneller und härter zu arbeiten. Wir werden ständig mit unseren Kollegen verglichen, die in der gleichen Situation sind. Wenn man nicht so gut arbeitet wie sie, muss man Angst haben seinen Job zu verlieren.
Und da die Unternehmen daran interessiert sind, Profit zu machen, versuchen sie ständig, ihre Kosten zu senken. Das heißt, die Unternehmen versuchen, so wenig Lohn wie möglich zu zahlen. Das heißt auch, dass sie die Arbeitszeit möglichst lang und anstrengend gestalten, um möglichst viel Leistung aus uns zu pressen. Schließlich soll es sich für das Unternehmen lohnen, das wir arbeiten. Für uns bedeutet das Mindestlohn, Stress und jeden Tag arbeiten bis zum Umfallen. Was dann noch an „Freizeit“ übrig bleibt, brauchen wir, um uns zu erholen, damit wir am nächsten Tag wieder zur Arbeit können.
Es ist kein Zufall, dass wir am Ende des Monats nicht genug Geld auf dem Konto haben. Es ist kein Zufall, dass wir mit dem Geld, das wir verdienen, gerade so über die Runden kommen. Und es ist auch kein Zufall, dass wir von morgens bis abends schuften müssen, sodass uns vom Rest des Lebens nicht mehr viel bleibt.
So geht es den meisten von uns. Aber diese Gemeinsamkeit ist auch unsere Stärke. Wir sind die gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist diese Welt zu verändern. Ohne uns läuft nichts. Wenn wir uns zusammenschließen können wir diejenigen loswerden, die an unserer Arbeit schmarotzen. Wir brauchen sie nicht!

